Kantharidenpflaster

Naturheilverfahren, Bericht Kantharidenpflaster, Ärztezeitung

zurück zu NATURHEILVERFAHREN

Hausärztliche Gemeinschaftspraxis Dr. Weyer

Mit der Spanischen Fliege schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe

Schmerz kann nicht nur mit modernen Verfahren und traditionellen asiatischen Methoden wie der Akupunktur behandelt werden. Auch die traditionelle europäische Medizin bietet erfolgversprechende Therapieansätze. Dazu gehören hautaus- oder hautableitende Verfahren der Humoralmedizin.


Professor Dr.med. Dr.med. dent. Horst Ferdinand Herget, Leiter des Funktionsbereichs Schmerztherapie der Universität Gießen, wendet solche Verfahren, etwa die Vesikation (“Blasenbildung") mit Kantharidenpflastern, zum Beispiel bei chronisch schmerzhaften Gelenkerkrankungen an. Ein solches Pflaster enthält den Wirkstoff Kantharidin (C10H12O4), der aus Weichkäfern (Cantharidae), zum Beispiel der Spanischen Fliege, gewonnen wird. Kantharidin ist nephrotoxisch (“nierengiftig”), bei Überdosierung werden Glomerula hyalinisiert oder nekrotisiert. Bei niereninsuffizienten Patienten ist das Kantharidenpflaster deshalb kontraindiziert (“nicht erlaubt”).


Der Patient bekommt das bis etwa zehn mal zehn Zentimeter große Pflaster aufgek1ebt. Dadurch wird Lymphe abgeleitet. Mit der Lymphe werden, so Herget, aus dem erkrankten Gewebe nozizeptive (“schmerzerzeugende”) Substanzen wie Bradykinin herausgezogen. Im Lauf von etwa 15 bis 20 Stunden bildet sich intrakutan über dem betroffenen Gelenk eine große lymphehaltige Blase. Diese Blase wird steril punktiert oder am unteren Wundpol aufgeschnitten. "Gleichzeitig macht dieses Pflaster eine ganz starke Überwärmung, stärker als jede anderen Maßnahme", sagt der Gießener Schmerztherapeut. "Es kommt also zu einer aktiven Durchblutung, die Schmerzmediatoren werden auch nach innen abtransportiert. Damit schlagen wir also zwei Fliegen mit einer Klappe."


Herget benutzt, je nach Indikation, noch ein anderes hautausleitendes Verfahren:  " Wenn ich ein Gelenk behandeln will, dann ist das Kantharidenpflaster die Methode der Wahl. Wenn ich aber zum Beispiel eine progrediente ("fortschreitende”) chronische Polyarthritis, die sich über ganze Abschnitte der Wirbelsäule ausbreitet, behandeln will, dann kann ich mit einem Pflaster an einem Segment nichts machen. Da brauche ich eine Fläche."

In solchen Fällen verwendet der Mediziner die Pustulation (“eitrige Bläschen”) mit Hilfe des Baunscheidtverfahrens. Dabei werden zunächst flächig kleine Hautläsionen bis in die Tiefe des Stratum lucidum gesetzt. Das geschieht mit einer nadelbesetzten Metallwalze, die aussieht wie ein mittelalterliches Foltergerät en miniature, oder mit einem federbetriebenen nadelgespickten Schnappgerät, bei dem die Eindringtiefe einstellbar ist.


Schon allein durch die Einstiche kommt es zu einer Hyperämie(“verstärkte Durchblutung”). Die gestichelten Hautareale werden danach mit einem Hautreizöl (Kajeputöl, Lörbeeröl, Ol. Arachidis) eingerieben und mit exanthemischer Watte abgedeckt. Wegen der im Tierversuch nachgewiesenen cokarzinogenen (“krebserzeugenden”) Wirkung sollte im allgemeinen auf die Verwendung von Krotonöl verzichtet werden. Innerhalb von 20 bis 30 Stunden entstehen durch die Öleinreibung hirsekorngroße Knötchen, die sich mit Serum oder sterilem Eiter füllen und nach sieben bis zehn Tagen eintrocknen und abschuppen.


Indiziert ist die Baunscheidttherapie nach Hergets Angaben bei Neuritis und Polyneuritis, besonders an den Extremitäten, bei arthritisch -rheumatisch neuralgischen Schmerzzuständen, Spondylarthrosen und Osteoporose. Bei diffusen Wirbelsäulenmetastasen hätten sich nur stark wirkende Öl (Krotonöl) bewährt. Da Baunscheidtöle oft auch kantharidinhaltig sind, gelten die gleichen Kontraindikationen wie beim Kantharidenpflaster.

Die große Lymph-Blase in der Lumbalregion dieses Patienten ist entstanden, weil etwa 18 Stunden ein schwarzes Kantharidenpflaster aufgelegt gewesen ist. Dieses Pflaster führt zu einer starken Hyperämie und zieht mit der Lymphe auch nozizeptive Substanzen aus dem erkrankten Gebiet.

Sie möchten sich beraten lassen oder wollen einen Termin vereinbaren? 

Kontaktieren Sie uns gerne:

jetzt Termin vereinbaren jetzt Kontakt aufnehmen