Der Beipackzettel

Welche Rubriken besonders wichtig sind - und was sie bedeuten

© Der Stern 4/2006

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Hausärztliche Gemeinschaftspraxis - Olga Erl & Rumyana Mincheva

PROF. DAVID KLEMPERER und DR. BRITTA LANG, Sprecher des
Fachbereichs Patienteninformation und Patientenbeteiligung im Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V.

Achtmal im Jahr bekommt der Durchschnittsdeutsche ein Medikament verordnet. Und wer nicht gerade chronisch krank ist und seine Arznei seit Jahren kennt, der wird wohl einen Blick auf den Beipackzettel werfen. Nach einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK ist die Packungsbeilage für Patienten die zweitwichtigste Informationsquelle nach dem Arzt, wenn es um verordnete Arzneien geht. Leider ergab die Studie auch, dass es mit der Nützlichkeit der Faltzettel nicht weit her ist: Ein Drittel der befragten Verbraucher gab an, von den Packungsbeilagen verunsichert zu werden, ebenfalls nahezu ein Drittel hatte schon einmal ein Medikament aufgrund der Beilage abgesetzt — oder es gar nicht erst genommen. Die Hauptkritikpunkte: Die Texte seien zu lang, sie seien unverständlich und überdies zu klein geschrieben.

Die Autoren der Untersuchung haben einen Beipackzettel entwickelt, wie er sein sollte: verhältnismäßig kurz und übersichtlich, in verständlicher Sprache und lesbarer Schrift. Aber auch wenn sie mit ihrer Forderung nach besseren Verbraucherinformationen längst nicht allein stehen, dürfte es noch Jahre dauern; bis alle Beipackzettel ihren abschreckenden Charakter verloren haben. Bis dahin gilt: Überwinden Sie sich, und lesen Sie sie trotzdem. notfalls mit Lupe! Hier die für den Patienten wichtigsten Rubriken, was sich dahinter verbirgt und warum Sie darüber Bescheid wissen sollten:


Dosierungsanleitung, Art und Dauer der Anwendung

Es versteht sich von selbst, dass Über- oder Unterdosierungen von Medikamenten gefährlich sein können. Aber auch der Zeitpunkt und die Dauer der Einnahme sind wichtig. So ist es oft von Bedeutung, ob Medikamente vor, während oder nach den Mahlzeiten eingenommen werden. Denn der Großteil der Wirkstoffe wird erst im Dünndarm an den Blutkreislauf abgegeben. Schluckt man Tabletten zusammen mit dem Essen, bleiben sie länger im Magen, die Wirkung setzt erst später ein. Die Dauer der Anwendung ist vor allem bei Antibiotika von Bedeutung: Zwar klingen die Symptome meist nach ein bis zwei Tagen ab, trotzdem muss das Mittel wie verordnet weiter genommen werden. Sonst besteht die Gefahr, dass Keime überleben und die Infektion erneut aufflammt. Außerdem können sich Resistenzen bilden. Warnhinweise: Hier erfährt der Verbraucher, ob er womöglich durch das Präparat in seinen normalen Fähigkeiten beeinträchtigt wird, ob seine Konzentration etwa so weit nach lassen kann, dass Gefahren beim Autofahren oder beim Führen von Maschinen entstehen. Achtung: Wer einen Unfall verursacht, weil seine Reaktionsfähigkeit nachweislich durch ein Medikament verlangsamt war, kann von seiner Versicherung in Regress genommen werden.

Wechselwirkungen

Hier lesen Sie, wie andere Medikamente die Wirkung der Arznei beeinflussen können — oder ihrerseits in ihrer Wirkung beeinflusst werden. So kann es etwa zu einer Verstärkung der Effekte kommen, weil rund die Hälfte aller Medikamentenwirkstoffe über die gleiche Enzymfamilie in der Leber abgebaut wird. Ist diese durch die gleichzeitige Einnahme mehrerer Präparate stark in Anspruch genommen, kann ein regelrechter Abbau-Stau entstehen, die Arzneistoffe bleiben länger im Körper — und ihre Wirkung ist dadurch verstärkt. Umgekehrt kann der Effekt eines Präparats durch ein anderes reduziert werden — auch bei pflanzlichen Mitteln. Gegenanzeigen: Hier steht, bei welchen Vorerkrankungen oder Allergien das Medikament nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt angewandt werden sollte und ob es auch für Schwangere und Stillende geeignet ist.

Nebenwirkungen

So werden die unerwünschten Effekte des Medikaments bezeichnet. Der Beipackzettel nennt die bekannten Nebenwirkungen und die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens — eine Auflistung, die viele stark verunsichert, weil sie keine genaue Vorstellung davon haben, wie häufig welche Folgen auftreten. Dabei ist genau definiert, was in diesem Zusammenhang unter „selten“ oder „häufig“ zu verstehen ist:„Sehr häufig“ ist eine Nebenwirkung, wenn sie bei mehr als einem von zehn Behandelten auf tritt, „häufig“, wenn sie mehr als einen von 100 Behandelten trifft. „Gelegentlich“ steht für ein Auftreten bei mehr als einem von 1000 Patienten, „selten“ meint: mehr als einer von 10000 Behandelten ist betroffen, und „sehr selten“ steht für einen oder weniger als einen von 10000 Patienten.


Ist ein Medikament neu auf dem Markt, liegen erst relativ wenige Daten zu den Nebenwirkungen vor, weil es meist nur an einigen hundert oder wenigen tausend Menschen erprobt wurde. Der Patient sollte dann besonders genau auf Verschlechterungen seines Zustands oder neu auftretende Symptome achten und sie seinem Arzt melden. In Großbritannien sind deshalb neue Arzneien sinnvollerweise mit einem schwarzen Dreieck besonders gekennzeichnet, hierzulande müssen Sie Ihren Arzt bitten, Sie darauf aufmerksam zu machen, wenn er Ihnen ein neues Präparat verordnet.


Unsere Tipps für alle, die mehr Informationen über Arzneien wollen, als die Beipackzettel hergeben: das „Handbuch Medikamente“ und die Medikamentendatenbank der Stiftung Waren test (www.stiftung-warentest.de/medikamente), bei der man gegen Gebühr umfassende Informationen über Arzneien abrufen kann, außer dem die im Oktober 2005-erstmals erschienene Zeitschrift „Gute Pillen, schlechte Pillen“ (www.gutepillen-schlechtepillen.de).



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